Italien (Republik)
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Antonio Gramsci, geboren am 22. Januar 1891 in Ales, Sardinien, war ein italienischer Schriftsteller, Journalist, Politiker und marxistischer Philosoph. Er war einer der Gründer der Kommunistischen Partei Italiens (Partito Comunista Italiano), deren Generalsekretär er von 1924 bis 1927 war.
Gramsci war ein scharfer Kritiker von Benito Mussolini und dem Faschismus. Nach seiner Verhaftung durch Faschisten im Jahr 1926 verbrachte er den Rest seines Lebens im Gefängnis. Während seiner Haft schrieb Gramsci mehr als 30 Hefte und 3.000 Seiten Geschichte und Analyse. Seine Gefängnishefte gelten als ein bedeutender Beitrag zur politischen Theorie des 20. Jahrhunderts.
Gramsci ist am besten bekannt für seine Theorie der kulturellen Hegemonie, die beschreibt, wie der Staat und die herrschende kapitalistische Klasse - die Bourgeoisie - kulturelle Institutionen nutzen, um Macht in kapitalistischen Gesellschaften aufrechtzuerhalten. Er starb am 27. April 1937 in Rom..
Gramsci, Antonio, 1891/Ales—1937/Rom, italienischer Arbeiterführer und bedeutender marxistischer Theoretiker. Nach Kindheit und Schule in Sardinien Studium der Philosophie, Geschichte und Sprachwissenschaft in Turin. Mitglied der Italienischen Sozialistischen Partei (PSI) und Mitarbeit bei verschiedenen sozialistischen Blättern. 1919 gründete G. zusammen mit Togliatti, A. Tasca und anderen die Wochenzeitschrift Ordine Nuovo, in der er die Erfahrungen der russischen »Sowjets« aufnahm und eine Theorie der Fabrikräte entwickelte. Aus der Ordine Nuovo - Gruppe und aus der Gruppe Soviet um A. Bordiga ging 1921 die Italienische Kommunistische Partei (PCI) hervor. G. trat ihr bei und wurde Mitglied des ZK.
Nach Auslandsaufenthalten u.a. in Moskau und Wien (1922—24) wurde G. Parlamentsabgeordneter und genoß so Immunitätsschutz. Auf dem dritten Kongreß des PCI in Lyon (1926) kam es zu Auseinandersetzungen über die bisherige Führung unter Bordiga. Gegen dessen sektiererische Politik betonte G. die qualitativ neuen Aspekte des Faschismus als reaktionärer Massenbewegung. Unter Einbeziehung der italienischen »Südfrage« forderte er eine breite antifaschistische Bündnispolitik. Nach der Niederlage der Bordiga - Gruppe wurde er zum neuen Parteisekretär gewählt. Wenig später, im November 1926, wurde G. festgenommen und zu zwanzig Jahren Haft verurteilt. Der Aufenthalt in diversen Gefängnissen verschlimmerte seinen angegriffenen Gesundheitszustand und führte 1937 zum Tod.
Im Zentrum von G.s frühen theoretischen Arbeiten standen literaturkritische, kulturpolitische und allgemein - politische Fragestellungen. G. begrüßte die Oktoberrevolution (Russische Revolutionen 1917) als »Revolution gegen Das Kapital, d.h. gegen die mechanistische, in der Praxis reformistische Auslegung des Marxschen Werkes in der Tradition der II. Internationale, und betonte die Notwendigkeit einer Dialektik von Objektivität und Subjektivität, von Theorie und revolutionärem Handeln. Während der Haft verfaßté G. eine Reihe von Abhandlungen, Skizzen und theoretischen Reflexionen, die als Gefängnishefte (Quaderni del carcere) nach seinem Tod herausgegeben wurden und zu den bedeutendsten marxistischen Schriften der Zwischenkriegszeit zählen. In ihnen geht G. ein auf die Probleme der italienischen Nationalgeschichte, auf die Rolle der Intellektuellen im Kampf um die Hegemonie im Staate, auf Fragen des Zusammenhangs von Basis und Überbau und allgemein auf staats - und kulturtheoretische Probleme. G. fragt nach den Bedingungen der Möglichkeit einer revolutionären gesellschaftlichen Veränderung in den hochentwickelten westlichen Gesellschaften. Im Unterschied zum vorrevolutionären, autokratischen Rußland sei im »Westen« die zwischen dem Staat im engeren Sinne — verstanden als Zwangsapparat — und der ökonomischen Basis angesiedelte bürgerliche Gesellschaft (»societa civile«) von größter Bedeutung.
In ihr sind die »organischen Intellektuellen« der jeweils herrschenden - + Klasse in den verschiedenen Hegemonieapparaten wie Schulen, Gewerkschaften, Kirchen, Medien, Vereinen usw. tätig. Sie stellen den Konsens unter den Mitgliedern des herrschenden Blocks her und »zementieren« ihn durch die Verbreitung und Popularisierung der herrschenden Weltanschauung. Gelingt es einer Klasse, die politische Vorherrschaft nicht nur auf repressivem Wege unter Einsatz staatlichen Zwangs, sondern auch durch die Gewinnung von Loyalität und konsensueller Zustimmung abzusichern, so spricht G. von »hegemonialer Herrschaft«. Historisches Vorbild sind ihm die Jakobiner, denen es in der Französischen Revolution gelang, ein breites antifeudalistisches Bündnis herzustellen. Demgegenüber habe in Italien nur eine »passive Revolution«, d. h. eine von oben herbeigeführte Modernisierung unter Ausschluß der großen Masse des Volkes stattgefunden. Hegemoniale Herrschaft ist für G. die Voraussetzung für die Existenz eines »historischen Blocks«, den er als Einheit von Basis und Überbau definiert, d. h. als Übereinstimmung zwischen der sozio - ökonomischen Basis und der vorherrschenden Weltanschauung und ihrer Habitualisierung in Einstellungen, Gebräuchen, Sitten und Gewohnheiten.
G.s Bedeutung als marxistischer Theoretiker liegt in der Ausweitung des marxistisch - leninistischen Staatsverständnisses und in der Wiederbelebung dialektischen Denkens gegenüber mechanistischen Verflachungen und Vulgarisierungen.
Der Staat in den westlichen Gesellschaften ist für G. nicht nur repressives Zwangsorgan, sondern in einem weiteren Sinne auch Ort der Herstellung und Absicherung von Hegemonie. Eine hegemoniale Klasse »herrscht« nicht nur, sondern »führt« auch im ideologisch - weltanschaulichen Sinne die mit ihr verbündeten Schichten und Gruppen. Diese hegemoniale Führungsfähigkeit (Hegemonie der Arbeiterklasse) ist für G. die Voraussetzung für die Machtergreifung selbst und muß ihr vorausgehen, wenn eine zur Macht drängende, bisher subalterne Klasse der Gefahr einer »cäsaristischen« Diktatur, in der die Komponente des staatlichen Zwanges vorherrscht, entgehen will. Revolutionsstrategisch folgert G. daher, daß im Westen nur ein langwieriger, zäher »Stellungskrieg« zum Erfolg führen könne, bei dem zunächst in einem langen Prozeß »intellektueller und moralischer Reform« die Hegemonieapparate der bürgerlichen Gesellschaft und dann erst die Staatsgewalt im engeren Sinne erobert werden. Dem »Stellungskrieg« stellt er den kurzen, frontal geführten »Bewegungskrieg« gegenüber. Er war unter den besonderen historischen und konjunkturellen Bedingungen Rußlands erfolgreich, kann aber nicht als Modell auf andere Länder übertragen werden. Von zentraler Bedeutung ist ebenfalls G.s Kampf gegen ein ökonomistisches Marxismus - Verständnis. Ein theoretischer Reduktionismus, der alle Manifestationen des Überbaus auf Epiphänomene der ökonomischen Basis reduziert, führt in der Praxis zu einer abwartenden, passiven und reformistischen Politik. Gegenüber diesen Tendenzen betonte G. den dialektischen Charakter des Marxismus als »Immanenzphilosophie«, als »Philosophie der Praxis«, und hob die relative Eigenständigkeit des Überbaus hervor. G.s Nachwirkung geht weit über Italien hinaus. Als Mitgründer des PCI und bedeutendster Theoretiker des italienischen Marxismus hat er die Entwicklung seiner Partei vor und nach dem II. Weltkrieg entscheidend mitgeprägt. Nachhaltigen Einfluß übt G. auf linkssozialistische und reformkommunistische Kräfte und Intellektuelle in Westeuropa und Lateinamerika aus.
Johannes Bellermann: Gramscis politisches Denken. Eine Einführung
theorie.org / Schmetterling Verlag
Stuttgart 2021
Domenico Losurdo: Der Marxismus Antonio Gramscis
VSA
Hamburg 2012
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Hans Heinz Holz, Leo Mayer: Krise, Hegemonismus und Transformation bei Antonio Gramsci
DKP / www.kommunisten.de
München 2012
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Harald Neubert: Linie Gramsi - Togliatti - Logo - Berlinguer. Erneuerung oder Revisionismus in der kommunistischen Bewegung?
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Hamburg 2009
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Zibaldone. Zeitschrift für italienische Kultur der Gegenwart
No. 11. SchwerpunktAntonio Gramsci. Serie Piper
München 1991
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